21.07.2011 – Salzburger Nachrichten – Kindeswohl: Panosch fordert couragierte Richter

Der für Soziales zuständige Salzburger Vizebürgermeister Martin Panosch forderte am Donnerstag anlässlich der Präsentation des Sozialberichts 2010 die zuständigen Richter auf, bei klaren Fällen auch ohne die Beiziehung eines Sachverständigen zu entscheiden.

(SN, APA). Die Zahl jener Fälle, bei denen Nachbarn, Pädagogen oder Familienmitglieder der Jugendwohlfahrt den Verdacht von Missbrauch oder Gewalt gegen Kinder melden, steigt. Gleichzeitig dauert es aber immer länger, bis das Gericht über die endgültige Entziehung der Obsorge entscheidet.

„Ich würde mir mehr Zivilcourage von den Richtern wünschen“, sagte Panosch. Es gebe auch umfangreiche Berichte der Mitarbeiter der Jugendwohlfahrt, auf die man sich bei Entscheidungen stützen könne. Gerade bei Säuglingen oder Kleinkindern wäre es für deren Entwicklung enorm wichtig, dass rasch Klarheit herrsche, ob sie bei ihrer Pflegefamilie bleiben können. Es gebe zu wenige Gerichtsgutachter und diese würden oft vor massiven Eingriffen in die Familie zurückscheuen, meinte Panosch. Es sei keine Seltenheit, dass auf eine gutachterliche Stellungnahme ein Jahr gewartet werden müsse.

In der Stadt Salzburg sind im vergangenen Jahr bei der Jugendwohlfahrt 563 Meldungen eingegangen, wonach Kinder und Jugendliche Opfer von Gewalt oder Missbrauch sein könnten. Fünf Jahre zuvor waren es nur 254 Verdachtsfälle gewesen, denen die 32 Mitarbeiter der Stadt in der Jugendwohlfahrt nachgehen mussten. In nur etwa zehn Prozent der Fälle stelle sich der Verdacht als unbegründet heraus, weiß der Leiter der Sozialabteilung des Magistrats, Winfried Wagner. Bei Gefahr in Verzug kann das Jugendamt ein Kind sofort aus der Familie herausnehmen und in einer Betreuungseinrichtung oder bei einer Pflegefamilie unterbringen. Dort bleibt es, bis ein Richter über die endgültige Unterbringung entscheidet. Das kann dauern. „Es braucht rascher Klarheit für alle Beteiligten“, forderte Panosch.

Grundsätzlich sei das Jugendamt bei Kindesabnahmen sehr vorsichtig und spreche diese nur in wirklich begründeten Fällen aus. Primär ginge es um Hilfestellung für die Familien und unterstützende Maßnahmen, sagte Wagner. Insgesamt merken die Mitarbeiter der Jugendwohlfahrt, dass immer häufiger das Angebot von Unterstützung durch betroffene Familien boykottiert werde, berichtete Panosch.

© SN/SW

21. Juli 2011 | 13:59 | Salzburg

Quelle: Salzburger Nachrichten – http://www.salzburg.com/online/salzburg/aktuell/Kindeswohl-Panosch-fordert-couragierte-Richter.html?article=eGMmOI8V5Wkx3I3LRjzYNcYx9qlDGgtTOw9TuZm&img=&text=&mode=