Monika Ebeling, die entlassene Gleichstellungsbeauftragte aus Goslar, ist am Samstag bei der IG Antifeminismus zu Gast. Im Interview mit Tagesanzeiger.ch/Newsnetz kritisiert sie die gängige Gleichstellungspolitik.
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Wie war es als «progressive» Gleichstellungsbeauftragte im links-grünen Umfeld?
Egal welches Umfeld – Deutschland ist ja CDU-FDP-regiert –, es herrscht in der Gleichstellungspolitik ein fundamental-feministischer Mainstream. Und wenn man die Apartheid der Geschlechter – «der Mann steht über der Frau, die Frau ist das Opfer» – nicht einfach akzeptiert, ist das sehr provokativ. Es gab eine kleine Gruppe von Frauen, die sich drei Jahre lang stark für meine Abberufung engagiert und diese letztlich erreicht hat. Natürlich haben sich dafür auch ein paar Männer einspannen lassen. Mobbing ist ein grosses Wort, aber hier trifft es wohl zu: Zuerst wurden mir die feministischen Leviten gelesen, offiziell in der grossen Runde. Ich sass da auf dem heissen Stuhl. Später haben einige dieser Frauen meine Info-Mails abbestellt mit der Begründung, meine Informationen würden keine Frauenanliegen aufgreifen. Ich wurde zu Frauentreffen nicht mehr eingeladen, und schliesslich wurde mir auch das Gespräch verweigert, das härteste Mittel. Es gab eine Initiative für ein interfraktionelles Gespräch, was die Frauen aus links-grün abgelehnt haben, es mache keinen Sinn.
Haben Sie sich auch mal als Verräterin gefühlt?
Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, ob ich mein Geschlecht verrate, wenn ich mich nicht mehr ausschliesslich um Frauenanliegen kümmere. Doch im deutschen Grundrecht, Artikel 3, steht die Gleichstellung von Mann und Frau festgeschrieben. Nur das «und» wollen viele nicht richtig wahrhaben.
Sie wehren sich gegen die Opferhaltung. Der Streit um die Stigmatisierung der Frau hat letztlich zu Ihrer Abberufung geführt.
Es waren zwei Anlässe. Eine Ausstellung und eine Broschüre über Gewalt in Paarbeziehungen. Jede Berufsbezeichnung war in der Broschüre männlich und weiblich angegeben, nur bei Täter und Opfer ist immer ganz klar: Täter ist männlich. Da habe ich mich dagegen gewehrt, es stimmt ja auch nach neusten Erkenntnissen nicht mit der Realität überein, dass Frauen keine Gewalt ausüben. Der andere Fall war die Brötchentüte zur Kinderschutzwoche, bei der die Frauen miteinbezogen wurden. Das habe ich moniert. Es wurden nur die Männer nicht genannt. Warum?
In jungen Jahren haben Sie die Gleichstellungsaktivistinnen als grosse Schwestern bezeichnet; heute sehen Sie sie als verbitterte Kämpferinnen. Wann war die Wende?
Bei der Diskussion um den Abtreibungsparagrafen 218 in den Siebzigerjahren. Dabei hat sich das weibliche Geschlecht isoliert, indem es die Männer von der Diskussion ausgeschlossen hat, nach dem Motto: «Das ist mein Bauch, der Inhalt gehört mir». Damals sind die Feministinnen inhaltlich stehen geblieben.
Ist die mitteleuropäische Gleichstellungspolitik überholt?
Ja, wir müssen sie neu erfinden. Nicht beerdigen, aber die Männerpolitik einfliessen lassen. Es braucht Männer- und Frauenförderung, und dabei gibt es sogar eine Schnittmenge. Es darf keinen Wettbewerb unter den Geschlechtern geben, wer mehr Geld kriegt et cetera. Ich würde mit Ursula März – die in der «Zeit» beschrieb, warum sie die Debatten über die Rolle der Frau nicht mehr erträgt – vorschlagen, dass die Frauen jetzt versuchsweise drei Jahre lang schweigen und so lange Männerthemen beackert werden.
Ganz vollendet ist die Frauenpolitik ja noch nicht, an Schaltstellen der Macht fehlen die Frauen, und Lohnunterschiede gibt es auch immer noch.
Ja, aber wir haben rechtliche Gleichstellung. Und die gesellschaftliche ist eine andere Ebene, die einfach mehr Zeit braucht. Vielleicht richten wir Frauen den Fokus auch zu sehr auf Macht und Geld.
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Zur Person
Monika Ebeling (51) aus Braunschweig war bis vor kurzem Gleichstellungsbeauftragte der Kleinstadt Goslar. Ihre Abwahl Mitte Mai machte im ganzen deutschsprachigen Raum grosse Schlagzeilen, weil der Hintergrund ihre zu männerfreundliche Haltung ist, die ihr von den Vertreterinnen der links-grünen Parteien vorgeworfen wird. Am Samstag tritt die studierte Sozialarbeiterin, die hauptberuflich einen Kindergarten leitet, an einem Treffen der IG Antifeminismus Schweiz auf. (blu)
Von Claudia Blumer. Aktualisiert am 24.06.2011
(Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)
Erstellt: 24.06.2011, 08:53 Uhr
Quelle: Tagesanzeiger – http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Wir-Frauen-muessten-jetzt-drei-Jahre-lang-schweigen/story/15308621
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10.06.2011 – Presse berichtet über fragwürdige Praktiken im Frauenhaus Goslar