04.07.2012 – Stern – Betroffener Vater zur Sorgerechtsreform: Bis in zwei Wochen, Papa

Die Regierung stärkt die Rechte lediger Väter. Im Prinzip eine gute Sache. Doch den Betroffenen macht es kaum Hoffnung. Ein Vater erzählt vom Kampf um sein Kind und warum er an der Reform zweifelt.

Und dann ist er wieder allein. Helge Messner sitzt im Auto auf der Autobahn Richtung Frankfurt. Eben saß noch sein Sohn neben ihm, sein ganzer Stolz, sein einziger Sohn. Alle zwei Wochen darf er ihn sehen. Holt ihn freitags ab – und bringt ihn am Sonntag wieder zurück zur Mutter nach Norddeutschland. 250 Kilometer liegen zwischen dem Leben des siebenjährigen Jungen und dem Wohnsitz des Vaters in Hanau. 250 Kilometer, die für Messner Vorfreude und Sehnsucht zugleich bedeuten – je nachdem, in welche Richtung er fährt.

An den regelmäßigen Abschied hat sich der 40-jährige Vater gewöhnt. Nicht jedoch an die Leere, die ihn überkommt, wenn er nach einem Wochenende mit seinem Sohn wieder alleine die Wohnungstür aufschließt. Besonders schwer wird es, wenn noch ein Spielzeug im Wohnzimmer liegt – oder ein Hausschuh im Flur.

Helge Messner ist nur einer von vielen ledigen Vätern in Deutschland, denen das Sorgerecht verwehrt wird. Rund jedes dritte Kind in Deutschland wird heute von einer unverheirateten Mutter geboren. Jetzt hat das Bundeskabinett eine Reform des Sorgerechts für Kinder unverheirateter Eltern beschlossen. Demnach soll ein unverheirateter Vater künftig das Sorgerecht für ein Kind bekommen – notfalls auch gegen den Willen der Mutter. Das neue Gesetz soll auch für Altfälle gelten, die seit Jahren die Familiengerichte beschäftigen. Mehr Rechte also für ledige Väter. Das klingt gut. Doch Helge Messner weiß, dass es so einfach nicht ist.

Sehnsucht, Hilflosigkeit, Ohnmacht

Der Lehrer aus Hanau bei Frankfurt hat das ganze Theater durchgemacht: Den Streit mit der Mutter des Kindes, den Kampf vor Gericht, Sehnsucht, Hilflosigkeit, Ohnmacht. Kurze Zeit nach der Geburt seines Kindes ging die Beziehung in die Brüche. Der Pädagoge zog für sein Referendariat nach Hessen, seine Freundin blieb in Hamburg. Man ging nicht im Guten auseinander. Zunächst bedurfte es zweier Gerichtsurteile, damit der nicht erziehungsberechtigte Messner sein Kind überhaupt sehen durfte. Inzwischen gilt das Umgangsrecht und der Pädagoge darf seinen Sohn alle zwei Wochen zu sich nehmen.

Von dem am Mittwoch vom Bundeskabinett gebilligten Gesetzentwurf zur Reform des Sorgerechts verspricht sich der Gymnasialllehrer gar nichts: „Auf dem Papier liest sich das so schön“, erklärt Messner, „jedoch für mich ändert sich nichts“. Wenn es dem Kindeswohl nicht widerspricht, sollen beide Eltern Verantwortung für das Kind tragen. Wenn die Mutter damit nicht einverstanden ist, kann der Vater vor Gericht ziehen. Und dann liegt es im Ermessen der Richter, wie es weitergeht. Wenn das Verhältnis zwischen den Eltern stark zerüttet ist und sie sich beispielsweise so viel streiten, dass das Kind darunter leiden würde, wird auch in Zukunft das Sorgerecht nur einem Elternteil zugesprochen. Und das ist dann in den meisten Fällen die Mutter.

„Papi, ich vermisse dich“

Es gibt viele Dinge, die Helge Messner beschäftigen. Zum einen kann er nicht verstehen, wie der Staat mit seiner Situation umgeht. Messner ist vor einiger Zeit befördert worden, vom Gymnasiallehrer zum Oberstudienrat – weil er sich hervorragend auf die Arbeit mit Kindern versteht. „Der Staat beauftragt mich mit der Arbeit mit rund 300 Kindern, aber ich habe nicht das Recht, mit den Lehrern meines Sohnes zu sprechen.“ Keine Schulauftritte darf er besuchen, an keinen Elternabenden teilnehmen. Seine Ex-Freundin verwehrt ihm die Informationen, bei seinem siebenjährigen Sohn will er nicht nachbohren.

Der Vater hält sich penibel an alle Vorschriften und Regeln. „Ich will jeden Konflikt vermeiden“, erklärt der 40-Jährige, „ich rufe meinen Sohn nicht an, ich erscheine nicht bei ihm auf der Schule, ich will mich nicht angreifbar machen.“ Vor seinem Kind versucht der Lehrer stark zu sein. Wenn der Junge ihm beim Abendbrot sagt: „Papi, ich vermisse dich“, versucht er ihn zu trösten, dass sie bald wieder zusammen sein werden. Es ist jedes Mal ein schmaler Grat. Der Vater will sich nicht runterziehen lassen. Andererseits will er seinem Kind aber auch seine Gefühle zeigen.

Die schönsten Momente für den Vater sind die, in denen er und sein Sohn gemeinsam ganz normale Dinge tun: Rasenmähen, zusammen lachen. Von Anfang an hat sich der Pädagoge dagegen entschieden, ein reiner Freizeitpapa zu sein, der mit seinem Kind alle zwei Wochen in einen Freizeitparkt fährt. Ein normales Leben will er mit seinem Kind führen. Auch wenn der strikte Zeitplan und die Vorgaben ein normales Leben unmöglich machen.

Das neue Männerbild und die Angst die bleibt

Messner befürchtet, dass er auch nach dem neuen Gesetz wenig Chancen auf ein Sorgerecht hat. Dafür müsste er gegen den Willen der Mutter vor Gericht ziehen. „Ich müsste wieder in eine Schlammschlacht einsteigen. Und das will ich nicht“. Er wünscht sich, dass sich nicht nur auf Gesetzesseite, sondern auch in der Gesellschaft etwas ändert. Die Hoffnung ist berechtigt, meint Messner, die Bedeutung des Vaters werde seiner Meinung nach in der Gesellschaft immer größer. Erst am Sonntag ist es ihm wieder aufgefallen. Beim Finalspiel Spanien gegen Italien. „Als die spanischen Spieler nach dem Sieg alle ihre Kinder aufs Spielfeld geholt haben, das war doch ein schönes Bild.“ Messner selbst hatte das Spiel nicht mit seinem Sohn sehen können.

Helge Messner lebt mittlerweile in einer neuen Beziehung. Er hat einen Job, in dem er aufgeht, ein geerdetes Leben. Was ihm fehlt ist ein Kind, sein Kind. „Niemand kann sich vorstellen, wie es sich anfühlt, wenn man sein Kind sehen will, und vor verschlossenen Türen steht“. Nie wieder will er das durchmachen müssen. Mit seiner neuen Partnerin will Messner daher kein Kind bekommen. Zu groß ist die Angst, dass sich das alles wiederholt.

Von Katharina Miklis

Quelle: Stern – http://www.stern.de/panorama/betroffener-vater-zur-sorgerechtsreform-bis-in-zwei-wochen-papa-1851408.html

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